Ein Appell an alle Neuenmarkter Bürger

Liebe Neuenmarkter,

es war einmal eine kleine Ortschaft mitten in Oberfranken, die sich in den vergangenen 30 Jahren gut entwickelte und ein lebenswertes Umfeld bot. Seine Einwohner waren wie alle: mal friedlich, mal streitsüchtig, mal von Emotionen gepackt, mal sachlich. Im Gemeinderat trickste man sich mal aus, mal stritt man sich – jedoch versöhnte man sich wieder und brachte den Ort voran. Eines Tages wollten einige Gemeinderäte die Wärmeleitung einer Biogasanlage auf Gemeindekosten legen… Die Versöhnung wurde danach zunehmend schwieriger und blieb schließlich ganz aus. Ein neuer Gemeinderat sollte nach dem Wunsch der Einwohner einen Neuanfang versprechen.

Dann jedoch traf den Ort ein furchtbares Unwetter…

Jeder von euch weiß, wie die Geschichte weitergeht. Wir stehen an einem Wendepunkt der Krise, an dem sich entscheidet, ob unser gemeindliches Miteinander auf Jahre hinaus zerrüttet bleiben wird. Damit aber kann und will ich mich nicht abfinden und versuche auf diesem ungewöhnlichen Weg nun zum wiederholten Mal meine Mitbürger zum Einlenken und zum Weitblick über Gegenwart und persönliche Erfahrungen hinaus zu bewegen. Es wäre ein endlich wieder positives Zeichen für die Zukunft unseres Ortes, sollte mein Appell nicht ungehört verhallen!

Die „Gemeinde“ – das sind wir alle, gemeinsam, zum Gemeinwohl – Doch unsere Ortschaft hat sich zunehmend in zwei erbittert verfeindete Lager gespalten. Misstrauen und Verdächtigungen, Hintergedanken und gegenseitiges Belauern bestimmen unseren Alltag. Und daher bitte ich euch: Lasst uns endlich gemeinsam mit Sachverstand und differenziertem Denken an Problemen arbeiten! Was früher passierte, mag falsch, ärgerlich oder unstatthaft gewesen sein – das kann man nicht unvoreingenommen beurteilen. Ihr mögt beleidigt und missachtet worden sein. Ihr mögt zu Recht verbittert sein. Aber: Gebt bitte unserem Ort endlich wieder eine Chance auf Neugestaltung und Verbesserung! Es muss um tragfähige Konzepte für die Weiterentwicklung unseres Lebens hier gehen. Anzeigen, Aggression gegen Andersdenkende oder Beschimpfungen dürfen keine Alternative sein.

Die objektiven und sachlich vorgebrachten Argumente kann jeder nachvollziehen, viele vertreten ähnliche Ansichten. Der Ärger ist verständlich. Viele, auch unser Anwesen, waren von den Schäden durch diese Sintflut – denn lediglich ein „Hochwasser“ war das beileibe nicht – betroffen. Niemand, der diese Brandung an Wassermassen vom Himmel mit eigenen Augen sah, wird sie vergessen. Was sich jedoch seit nunmehr eineinhalb Jahren an Schuldzuweisungen in der Öffentlichkeit abspielt, ist unerträglich und entwürdigend für unsere gesamte Bevölkerung. Wir alle sind zu Geiseln in diesen Kämpfen geworden.

Wenn jemand Klage erheben will, dann soll er sie erheben – aber bitte ohne zynische Presseberichte. Er sollte dabei an  diejenigen denken, die sich bei Fremden dafür rechtfertigen müssen, hier zu leben! An die Gemeinderatsmitglieder und deren Familien und Freunde, die Demütigungen schuldlos zu ertragen haben! An die negativen Auswirkungen für unsere Ortsentwicklung! Und vor allem: An die Spätfolgen für unseren menschlichen Umgang miteinander! Wie sollen wir denn jemals wieder unvoreingenommen miteinander umgehen können?

Uns fliegt gerade die Welt unserer Kultur des Friedens um die Ohren: nicht Solidarität, sondern Polemik, Hass auf Andersdenkende und Eigeninteressen stehen in USA, Russland, Deutschland, Ungarn, der Türkei … an erster Stelle. Ein dritter Weltkrieg wartet auf seinen endgültigen Auslöser. Und wir in Neuenmarkt imitieren dieses Gebaren …? Hier sollten doch lebenserfahrene Männer am Werk sein, die mit Gelassenheit und Erfahrung auf Probleme zugehen können, keine ungestümen, übereilt agierenden Heißsporne. Kein Gemeinderat hat das Bürgerbegehren an sich abgelehnt – lediglich dessen Form. Warum kann man das nicht einfach akzeptieren und nachbessern?

Ich bin gewiss kein Utopist und Traumtänzer, doch ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass Neuenmarkt fähig ist, diese Krise zu überwinden. Deshalb riskiere ich lieber euren Shitstorm, als dass ich die „Fresse halte“, wie es mir aus gewissen Kreisen geraten wurde. Ich stehe zu meinem Verantwortungsbewusstsein für die Allgemeinheit, mit diesem Brandbrief das Meinige dafür zu tun, wieder in einer zivilisierten, toleranten Gesellschaft leben zu können, die den Namen „Demokratie“ verdient.

Ich bitte in dieser Angelegenheit daher alle Neuenmarkter Bürger: Besinnt euch auf Objektivität und Gerechtigkeit! Stellt private Befindlichkeiten und Konflikte hintan, verzichtet auf persönliche Angriffe und Bezichtigungen! Lasst die Vergangenheit vergangen sein. Lasst uns aus Fehlern lernen und Besseres schaffen! Lasst uns gemeinsam für ein positives, nachbarschaftliches Zusammenleben handeln!

 Ich bin überzeugt, dass ich mit meinem Appell (fast) allen aus tiefster Seele spreche.

 Ingeborg Peter, Hegnabrunn

 

 

Mitglied der Neuenmarkter Gemeinschaft

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